Vier an einer Wand

Ekaterina Leo

 


 

„Die Teilwandarbeit – Großer und kleiner Wagen – ist ein Sample meines künstlerischen Schaffens, das sich mit den Fragen von Identität, Migration, Heimat und dem Schönen in der Kunst auseinandersetzt. Die Themenfelder Identität, Migration und Heimat sind in meinem Werk eng miteinander verwoben. Dabei betrachte ich diesen Komplex vor dem Hintergrund meiner eigenen Biografie sowie der Biografie von historischen Personen und Orten, die ich in meine Bildwelten integriere.

 

In dem von mir am stärksten bearbeiteten Teil der Wand sieht man eine Bärin mit ihrem Jungtier durch einen Birkenhain streifen. Sowohl der Bär als nationale Personifikation Russlands als auch die Birke als Symbol für das Frühlingserwachen und des Wachstums, bilden in meinem Schaffen zentrale Eckpfeiler und rekurrieren auf meine Identität und Migrationserfahrung. Gleichzeitig wird diese romantisch-verklärte Sicht von Neonfarben durchbrochen, die auf meine neue Heimat und die Ablösung des Altbekannten verweisen.

 

Hinweise auf die Frage nach der Ästhetik und dem Schönen in der Kunst findet man in den gezeichneten Häusern des Nikolaus, die in Buntstift ausgeführt und größtenteils misslungen sind sowie dem krakelig-anmutenden Schriftzug медведь (Bär) und мёд (Honig). Die genannten Elemente stehen im Kontrast zu der Malerei, die an sowjetische Kinderbücher bzw. Illustrationen erinnert. Beide Aspekte verfolgen den Gegenstand des Scheiterns und Gelingens à la Becketts „fail better“.

 

Beides ist von derselben Hand gestaltet worden, aber kann beides auch als gleichwertige Kunst angesehen werden? Ist eine Kinderzeichnung weniger Wert als die Malerei eines Erwachsenen? Was ist Kunst bzw. Künstlerisch und was ist Vandalismus oder bloße Dekoration? In meinen Sujets versuche ich den Betrachter mit den genannten Fragen zu konfrontieren, damit er sich in bester Rancier’scher Manier zu einem emanzipierten Betrachter entwickeln kann.“
Ekaterina Leo, 27.07.2020

 


 

Ekaterina Leo, geboren 1988 in Leningrad, Russland arbeitet seit 2016 als freischaffende Künstlerin in Frankfurt am Main. Nach einem Studium der evangelischen Theologie und Philosophie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz begann sie 2009 ein Studium der Malerei an der Kunsthochschule Mainz bei Prof. Friedemann Hahn, dass sie 2015 als Meisterschülerin bei Prof. Anne Berning abschloss. 2016 erhielt sie das Aufenthaltsstipendium im Labor der Stiftung Opelvillen Rüsselsheim. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Galerie Greulich, Frankfurt am Main, im Nassauischen Kunstverein, Wiesbaden, der Galerie hase29, Osnabrück und auf der ArtSpot Miami – Art Fair, USA ausgestellt.